Difference between revisions of "Unifikationsgrammatik"
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Die Unifikationsgrammatik basiert auf einer Weiterentwicklung des Begriffs des linguistischen Merkmals. Jede linguistische Einheit (Wort oder [[Phrase]]) ist durch eine [[Merkmalsstruktur]] gekennzeichnet, d.h. durch eine Menge von Attribut-Wert-Paaren, deren Werte entweder atomare Symbole oder wiederum Merkmalsstrukturen sein können. Attributwerte innerhalb einer Merkmalsstruktur können [[Koreferenz|koreferent]] (auch koindiziert) sein, d.h. als Beschreibungen für die gleiche linguistische Einheit dienen. Merkmalsstrukturen für syntaktische Einheiten werden oft auch als komplexe Kategorien bezeichnet. [[Phrasenstrukturregeln]] einer Unifikationsgrammatik geben an, welche Teile der Merkmalsstruktur einer syntaktischen Einheit mit welchen Teilen der Merkmalsstruktur ihrer unmittelbaren Konstituenten koreferent sind und welche Koreferenzen es zwischen den Merkmalsstrukturen der unmittelbaren Konstituenten gibt. Diese Koreferenzen zwischen den Beschreibungen der [[Konstituente|Konstituenten]] in einem Syntaxbaum sorgen für den Informationsfluss in der syntaktischen Ableitung und werden verwendet, um Dependenzen zwischen Konstituenten zu repräsentieren. Koreferenz zweier Merkmalsstrukturen bedeutet, dass ihre Inhalte unifiziert werden. Wenn diese Inhalte sich nicht widersprechen (d.h. mindestens einem Merkmal unverträgliche Werte zuweisen), ergibt sich das Ergebnis der Unifikation aus der Addition der Information in den beiden unifizierten Strukturen. Im Falle eines Widerspruchs schlägt die [[Unifikation]] fehl bzw. es wird eine spezielle Kategorie erzeugt, die Inkonsistenz signalisiert. | Die Unifikationsgrammatik basiert auf einer Weiterentwicklung des Begriffs des linguistischen Merkmals. Jede linguistische Einheit (Wort oder [[Phrase]]) ist durch eine [[Merkmalsstruktur]] gekennzeichnet, d.h. durch eine Menge von Attribut-Wert-Paaren, deren Werte entweder atomare Symbole oder wiederum Merkmalsstrukturen sein können. Attributwerte innerhalb einer Merkmalsstruktur können [[Koreferenz|koreferent]] (auch koindiziert) sein, d.h. als Beschreibungen für die gleiche linguistische Einheit dienen. Merkmalsstrukturen für syntaktische Einheiten werden oft auch als komplexe Kategorien bezeichnet. [[Phrasenstrukturregeln]] einer Unifikationsgrammatik geben an, welche Teile der Merkmalsstruktur einer syntaktischen Einheit mit welchen Teilen der Merkmalsstruktur ihrer unmittelbaren Konstituenten koreferent sind und welche Koreferenzen es zwischen den Merkmalsstrukturen der unmittelbaren Konstituenten gibt. Diese Koreferenzen zwischen den Beschreibungen der [[Konstituente|Konstituenten]] in einem Syntaxbaum sorgen für den Informationsfluss in der syntaktischen Ableitung und werden verwendet, um Dependenzen zwischen Konstituenten zu repräsentieren. Koreferenz zweier Merkmalsstrukturen bedeutet, dass ihre Inhalte unifiziert werden. Wenn diese Inhalte sich nicht widersprechen (d.h. mindestens einem Merkmal unverträgliche Werte zuweisen), ergibt sich das Ergebnis der Unifikation aus der Addition der Information in den beiden unifizierten Strukturen. Im Falle eines Widerspruchs schlägt die [[Unifikation]] fehl bzw. es wird eine spezielle Kategorie erzeugt, die Inkonsistenz signalisiert. | ||
− | Die Reihenfolge der Verarbeitungsschritte spielt keine Rolle für das Resultat einer Ableitung. Dadurch eignet sich die Unifikationsgrammatik besonders für die [[Computerlinguistik]], denn die Grammatik lässt Raum für verschiedene Verarbeitungsstrategien. Sie ist auch nicht an eine Verarbeitungsrichtung gebunden, was es ermöglicht, die gleiche Grammatik für [[Parser|Parsing]] und [[Generierung]] zu verwenden. Modelle der Unifikationsgrammatik unterscheiden sich u.a. in der Rolle, welche die [[Phrasenstruktur]] in der syntaktischen Beschreibung spielt. In den meisten Modellen wird durch Syntaxregeln ein kontextfreier [[Strukturbaum|Phrasenstrukturbaum]] aufgebaut, mit dessen [[Knoten]] die Merkmalsstrukturen assoziiert sind, die durch Koreferenzen untereinander verbunden sind. In anderen Modellen (wie der FUG oder der HPSG) ist die Phrasenstruktur selbst innerhalb der Merkmalsstruktur repräsentiert, so dass diese zur Beschreibung ausreicht. Die Modelle unterscheiden sich auch darin, welche Erweiterungen in ihnen Verwendung finden. Wesentliche Unterschiede finden sich auch in der Ausdehnung der unifikationsgrammatischen Beschreibungsweise auf die grammatischen Beschreibungsebenen: während z.B. die GPSG nur syntaktische Gesetzmässigkeiten mit Hilfe der Merkmalsstrukturen beschreibt, wird die merkmalsbasierte Beschreibung in der HPSG auch auf [[Semantik]] und [[Phonologie]] ausgedehnt. Während es aber in Phonologie und [[Phonetik]] bislang nur wenige Untersuchungen gibt, finden sich auf dem Gebiet der Semantik mehrere Ansätze zur Integration von Situationssemantik und Diskursrepräsentationstheorie in Modellen der Unifikationsgrammatik. | + | Die Reihenfolge der Verarbeitungsschritte spielt keine Rolle für das Resultat einer Ableitung. Dadurch eignet sich die Unifikationsgrammatik besonders für die [[Computerlinguistik]], denn die Grammatik lässt Raum für verschiedene Verarbeitungsstrategien. Sie ist auch nicht an eine Verarbeitungsrichtung gebunden, was es ermöglicht, die gleiche Grammatik für [[Parser|Parsing]] und [[Generierung]] zu verwenden. Modelle der Unifikationsgrammatik unterscheiden sich u.a. in der Rolle, welche die [[Phrasenstruktur]] in der syntaktischen Beschreibung spielt. In den meisten Modellen wird durch Syntaxregeln ein kontextfreier [[Strukturbaum|Phrasenstrukturbaum]] aufgebaut, mit dessen [[Knoten]] die Merkmalsstrukturen assoziiert sind, die durch Koreferenzen untereinander verbunden sind. In anderen Modellen (wie der FUG oder der HPSG) ist die Phrasenstruktur selbst innerhalb der Merkmalsstruktur repräsentiert, so dass diese zur Beschreibung ausreicht. Die Modelle unterscheiden sich auch darin, welche Erweiterungen in ihnen Verwendung finden. Wesentliche Unterschiede finden sich auch in der Ausdehnung der unifikationsgrammatischen Beschreibungsweise auf die grammatischen Beschreibungsebenen: während z.B. die GPSG nur syntaktische Gesetzmässigkeiten mit Hilfe der Merkmalsstrukturen beschreibt, wird die merkmalsbasierte Beschreibung in der HPSG auch auf [[Semantik]] und [[Phonologie]] ausgedehnt. Während es aber in Phonologie und [[Phonetik]] bislang nur wenige Untersuchungen gibt, finden sich auf dem Gebiet der Semantik mehrere Ansätze zur Integration von Situationssemantik und Diskursrepräsentationstheorie in Modellen der Unifikationsgrammatik. |
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+ | * [[Generalisierte Phrasenstrukturgrammatik]] (GPSG) | ||
+ | * [[Funktionale Unifikationsgrammatik]] (FUG) | ||
+ | * [[Kopfgesteuerte Phrasenstrukturgrammatik]] (HPSG) | ||
+ | * [[Kategoriale Unifikationsgrammatik]] (CUG) | ||
+ | * [[Lexikalisch-funktionale Grammatik]] (LFG) | ||
==Ursprung== | ==Ursprung== |
Revision as of 06:56, 8 July 2007
Der Begriff Unifikationsgrammatik bezeichnet die Klasse der generativen Grammatiken, die Merkmalsstrukturen zur Kodierung linguistischer Informationen und die Unifikationsoperation zur Verarbeitung der Merkmalsstrukturen verwenden.
Contents
Kommentare
Die Unifikationsgrammatik basiert auf einer Weiterentwicklung des Begriffs des linguistischen Merkmals. Jede linguistische Einheit (Wort oder Phrase) ist durch eine Merkmalsstruktur gekennzeichnet, d.h. durch eine Menge von Attribut-Wert-Paaren, deren Werte entweder atomare Symbole oder wiederum Merkmalsstrukturen sein können. Attributwerte innerhalb einer Merkmalsstruktur können koreferent (auch koindiziert) sein, d.h. als Beschreibungen für die gleiche linguistische Einheit dienen. Merkmalsstrukturen für syntaktische Einheiten werden oft auch als komplexe Kategorien bezeichnet. Phrasenstrukturregeln einer Unifikationsgrammatik geben an, welche Teile der Merkmalsstruktur einer syntaktischen Einheit mit welchen Teilen der Merkmalsstruktur ihrer unmittelbaren Konstituenten koreferent sind und welche Koreferenzen es zwischen den Merkmalsstrukturen der unmittelbaren Konstituenten gibt. Diese Koreferenzen zwischen den Beschreibungen der Konstituenten in einem Syntaxbaum sorgen für den Informationsfluss in der syntaktischen Ableitung und werden verwendet, um Dependenzen zwischen Konstituenten zu repräsentieren. Koreferenz zweier Merkmalsstrukturen bedeutet, dass ihre Inhalte unifiziert werden. Wenn diese Inhalte sich nicht widersprechen (d.h. mindestens einem Merkmal unverträgliche Werte zuweisen), ergibt sich das Ergebnis der Unifikation aus der Addition der Information in den beiden unifizierten Strukturen. Im Falle eines Widerspruchs schlägt die Unifikation fehl bzw. es wird eine spezielle Kategorie erzeugt, die Inkonsistenz signalisiert.
Die Reihenfolge der Verarbeitungsschritte spielt keine Rolle für das Resultat einer Ableitung. Dadurch eignet sich die Unifikationsgrammatik besonders für die Computerlinguistik, denn die Grammatik lässt Raum für verschiedene Verarbeitungsstrategien. Sie ist auch nicht an eine Verarbeitungsrichtung gebunden, was es ermöglicht, die gleiche Grammatik für Parsing und Generierung zu verwenden. Modelle der Unifikationsgrammatik unterscheiden sich u.a. in der Rolle, welche die Phrasenstruktur in der syntaktischen Beschreibung spielt. In den meisten Modellen wird durch Syntaxregeln ein kontextfreier Phrasenstrukturbaum aufgebaut, mit dessen Knoten die Merkmalsstrukturen assoziiert sind, die durch Koreferenzen untereinander verbunden sind. In anderen Modellen (wie der FUG oder der HPSG) ist die Phrasenstruktur selbst innerhalb der Merkmalsstruktur repräsentiert, so dass diese zur Beschreibung ausreicht. Die Modelle unterscheiden sich auch darin, welche Erweiterungen in ihnen Verwendung finden. Wesentliche Unterschiede finden sich auch in der Ausdehnung der unifikationsgrammatischen Beschreibungsweise auf die grammatischen Beschreibungsebenen: während z.B. die GPSG nur syntaktische Gesetzmässigkeiten mit Hilfe der Merkmalsstrukturen beschreibt, wird die merkmalsbasierte Beschreibung in der HPSG auch auf Semantik und Phonologie ausgedehnt. Während es aber in Phonologie und Phonetik bislang nur wenige Untersuchungen gibt, finden sich auf dem Gebiet der Semantik mehrere Ansätze zur Integration von Situationssemantik und Diskursrepräsentationstheorie in Modellen der Unifikationsgrammatik.
Subtypen
- Generalisierte Phrasenstrukturgrammatik (GPSG)
- Funktionale Unifikationsgrammatik (FUG)
- Kopfgesteuerte Phrasenstrukturgrammatik (HPSG)
- Kategoriale Unifikationsgrammatik (CUG)
- Lexikalisch-funktionale Grammatik (LFG)
Ursprung
englisch unification - Vereinigung
Siehe auch
Generalisierte Phrasenstrukturgrammatik Lexikalisch-funktionale Grammatik Funktionale Unifikationsgrammatik PATR Kopfgesteuerte Phrasenstrukturgrammatik