Difference between revisions of "Westgermanisch"

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Westgermanisch gehört neben Nord- und Ostgermanisch zum indoeuropäischen Sprachzweig Germanisch.

Überblick

Erste schriftliche Zeugnisse einer westgermanischen Sprache stammen aus dem 7. Jh. n. Chr., angesiedelt waren die Sprachen in Mittel- und Nordeuropa. Heute werden weltweit acht Sprachen westgermanischen Ursprungs gesprochen (Englisch, Friesisch, Flämisch, Niederländisch, Afrikaans, Neuhochdeutsch, Niederdeutsch -auch Plattdeutsch genannt, Jiddisch). Mindestens neun westgermanische Sprachen und Dialekte sind ausgestorben bzw. haben sich zu modernen Sprachen entwickelt. (z.B. Altenglisch, Mittelenglisch, Frühenglisch, Altfriesisch, Mittelfriesisch, Altniederfränkisch, Altniederdeutsch, Althochdeutsch, Frühneuhochdeutsch).

Vorsprache Germanisch

Das Gemeingermanische (auch Urgermanisch genannt) wird erstmals schriftlich um Christi Geburt belegt (vgl. König et al. 2019: 43). Die Abspaltung dieses Germanischen aus dem Indoeuropäischen fand demnach bereits im 1. Jt. v. Chr. statt (vgl. Brogyanyi 1986) und ist damit nur eine rekonstruierte Sprache. Die strukturellen Veränderungen vom Indoeuropäischen zum Germanischen werden als Erste (oder Germanische) Lautverschiebung zusammengefasst (u.a. Vokalzusammenfall, Wortakzentwechsel, Ablaute, Kasusreduktion, Dualverlust, verbmorphologische Vereinfachungen). In der Literatur sind verschiedene interne Systematisierungsvorschläge der germanischen Sprachen zu finden, die Differenzierung ist wegen Dialektbildung und anfänglich wenigen Schriftbelegen umstritten. Archäologischen Befunden zufolge sind fünf germanische Volksstämme klassifizierbar: Nordgermanen, Ostgermanen, Elbgermanen, Weser-Rheingermanen und Nordseegermanen. Für die Sprachen wird jedoch die klassische Dreiteilung Nordgermanisch, Ostgermanisch und Westgermanisch (auch Südgermanisch) genannt, wobei jedem der Zweige wiederum kleinere Zweige entspringen, siehe unten. (vgl. König et al. 2019: 53)

Westgermanische Sprachen

Der unsicheren Existenz eines rekonstruierten Urwestgermanischen kann eine Einteilung in drei Kulturbünde vorgezogen werden: Ingväonen, Istväonen und Hermionen. Modern und geographisch eindeutiger ist die Klassifikation in Nordseegermanen (Ingväonen), Weser-Rhein-Germanen (Istväonen) und Elbgermanen (Hermionen) (vgl. Brogyanyi 1986). Strukturell gemeinsam und unterscheidend von Nord- und Ostgermanisch haben die westgermanischen Sprachen unter anderem (i) die Konsonantengemination nach /j/ und (ii) den Auslautverlust /-s/ (vgl. König et al 2019: 63). Das Althochdeutsche unterliegt zusätzlich der Zweiten (oder Deutschen) Lautverschiebung im 7./8. Jh. n. Chr.


Germanisch.png


Entwicklung der westgermanischen Sprachen

Altenglisch (700-1100 Jh. n.Chr.)

Die nordseegermanische Sprache ist geprägt durch angelsächsische und romanische Entlehnungen und Einflüsse. Durch die Eroberung Britanniens durch Angelsachsen im 4./5./6. Jh. entstand Altenglisch aus Keltisch und dem neuen Superstrat Angelsächsisch (vgl. König 2002). Durch die normannische Eroberung 1066 löste Mittelenglisch Altenglisch ab und wurde ab dem 14. Jh. wiederum von Frühneuenglisch abgelöst. Das moderne Englisch wird ab 1750 als dieses bezeichnet. Die drei alten Sprachstufen des Englischen beinhalteten jeweils Dialekte, die heute ausgestorben sind. Dies sind zum Beispiel die germanischen Dialekte der Angeln, Sachsen und Jüten. Im Zuge der Kolonialisierungen im 19. Jh. verbreitete sich Englisch und wird weltweit auch als eine Grundlage für Pidgin- und Kreolsprachen verwendet. Heute nutzen ca. 340 Mio. Menschen Englisch als offizielle Landessprache in Kanada, USA, Australien, Neuseeland und Irland sowie als Verkehrs- und Amtssprache in über 50 Ländern. Hinzu kommen ca. 6 Mio. Zweitsprachler. Zudem ist Englisch die meistgenutzte Sprache der internationalen Kommunikation, der Medien, der Wirtschaft und der politischen Zusammenarbeit (vgl. König 2002).


Altfriesisch (1300-1550 n.Chr.)

Erstbelegt im 13. Jh. erwies sich die nordseegermanische Sprache zunächst als eng verwandt mit dem Altenglischen (vgl. Kufner 1972, S.89). Über Mittelfriesisch wurde das moderne Friesisch zur Sprache der Volksstämme der Friesen. Die heutigen Dialekte der Nord-, Ost- und Westfriesen unterscheiden sich stark voneinander. Nordfriesisch wird von ca. 10.000 Menschen an der deutsch-dänischen Grenze und auf Sylt, Amrum, Helgoland und Föhr gesprochen. Ostfriesisch wird von ca. 1000 Menschen im Saterland (Nordrhein-Westfalen) gesprochen und ist nicht zu verwechseln mit dem niederdeutschen Ostfriesisch. Westfriesisch wird von ca. 400.000 Menschen im nordniederländischen Friesland gesprochen (vgl. König 2002).


Altniederfränkisch (1000-1200 n.Chr.)

Aus dem weser-rhein-germanischen Altniederfränkisch ist im 12. Jh. das Mittelniederländische hervorgegangen, dieses dauerte bis in das 16. Jh. an und unterlag nicht der Zweiten Lautverschiebung. Aus dem Mittelniederländischen ist das heute gesprochene Niederländisch hervorgegangen. Niederländisch wird heute vor allem in den Niederlanden, Belgien und Suriname gesprochen. Niederländisch hat ca. 23 Mio. Muttersprachler und ca. 3-4 Mio. Zweitsprachler (vgl. Kausen 2002: 670). Das oft synonym verwendete Holländische ist nur ein Dialekt des Niederländischen und wird im gleichnamigen Gebiet in den Niederlanden gesprochen wird. Flämisch ist ein weiterer Dialekt in Belgien. Afrikaans ist als einzelne Sprache anerkannt und ist eine südafrikanische Tochtersprache des Niederländischen ist. Sie wurde durch Kolonisation eingeführt und hat heute ca. 6 Mio. Sprecher (vgl. Kausen 2002: 670).


Althochdeutsch (850-1050 n. Chr.)

Das Althochdeutsche wandelte sich von ca. 1050-1350 n. Chr. zum Mittelhochdeutschen, dieses wiederum entwickelte sich von 1350-1650 n. Chr. zum Frühneuhochdeutschen und ab ca. 1650 n. Chr. schließlich zum Neuhochdeutschen. Das heute gesprochene Hochdeutsch wird oft noch differenziert in das Oberdeutsche, welches zum Elbgermanischen (Hermionisch) gezählt wird und das Mitteldeutsche, welches dem Weser-Rhein-Germanischen (Istväonisch) zugehörig ist.

Hochdeutsch und seine Dialekte werden heute von ca. 105 Mio. Muttersprachlern und ca. 80 Mio. Zweitsprachlern in Deutschland, Österreich, Liechtenstein, Luxemburg, Südtirol, Elsass und Lothringen und Ostbelgien gesprochen (vgl. Kausen 2002, S.670). Außerdem gibt es Sprecher in Ungarn, Rumänien, Namibia, Togo und Kamerun. Jiddisch ist eine einzelne Sprache mit deutschen Wurzeln und wird mit hebräischen Schriftzeichen geschrieben und ist syntaktisch stark von slawischen Sprachen beeinflusst. Es hat bis zu 1 Mio. Sprecher, die es aber vor allem als Zweitsprache sprechen (vgl. Uni Trier). Luxemburgisch, Pennsylvanisch, Zimbrisch und Bairisch sind weitere hochdeutsche Dialekte. Für weitere Dialekte mit geringer Sprecherzahl vgl. Braune (2018).


Altniederdeutsch (auch: Altsächsisch) (ca.850-1000 n.Chr.)

Das Altniederdeutsche ging aus dem Altsächsischen im (900 bis 1000 n. Chr.) hervor und entwickelte sich bis zum 14. und 15. Jh. zunächst zum Mittelniederdeutschen und schließlich zu Niederdeutsch, welches meist als Plattdeutsch bezeichnet wird. Es unterlag wie Altniederfränkisch nicht der Zweiten Lautverschiebung und wird zu den nordseegermanischen Sprachen gezählt. Das Niederdeutsche ist vor allem im Norden Deutschlands und seinen grenznahen Regionen verbreitet und wird von 5-8 Mio. Menschen gesprochen, vorrangig als Zweitsprache. Zudem finden sich auch in den Vereinigten Staaten, in Mexiko, Brasilien, Paraguay, Russland, Kasachstan und in anderen Ländern niederdeutsche Sprachinseln (vgl. Adler et al. 2016: 6).