Face

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Face bezeichnet in der Soziologie und Pragmatik das Konzept des gewünschten öffentlichen Selbstbilds eines Individuums in sozialer Interaktion mit anderen Personen. Jedes Individuum innerhalb einer sozialen Gemeinschaft verfügt gleichermaßen über ein Face. Das Face baut sich im Prozess der Interaktion auf und wird durch bestimmte Handlungsmuster bewahrt.

Begriffsursprung

Der Facebegriff wurde erstmals in den 1960er Jahre durch den amerikanischen Soziologen Erving Goffman etabliert. Nach Goffman ist das Face ein Bildnis des Selbst, das sowohl von den Regeln und Werten einer sozialen Gemeinschaft als auch von den situativen Umständen abhängig ist. Dabei spiegelt es die Art und Weise wider, auf die ein Individuum von der Außenwelt wahrgenommen werden möchte. Goffman legt hierfür insgesamt drei Ebenen fest, durch welche das Face aufgebaut und die eigenen Handlungen abgewogen werden:

  • Der Stolz beschreibt das Pflichtgefühl des Individuums gegenüber sich selbst und den eigenen Bedürfnissen.
  • Die Würde beschreibt die eigene emotionale und Körperhaltung in sozialen Handlungen.
  • Die Ehre bezieht sich auf das Pflichtgefühl eines Individuums gegenüber der Gesellschaft und deren Wertesystem.

Die Orientierung des eigenen Face an den bestehenden Werten einer sozialen Gemeinschaft reflektiert sich beispielsweise in dem Verhalten eines Individuums als RepräsentantIn einer bestimmten Religionsgemeinschaft oder Berufsgruppe.

Das Faceempfinden in sozialer Interaktion ist reziprok. Ebenso wie das Wissen um das eigene Face ist dem Sender einer sozialen Handlung also auch das Face des Adressaten bewusst. Entsprechend werden die verbalen und nonverbalen Handlungen innerhalb einer gelungenen Interaktion nach bestimmten Mustern modifiziert, um sowohl das eigene Face als auch das des Empfängers zu bewahren. Diese sozialen Handlungsmuster dienen dem Face-Erhalt. Richten sich hingegen Handlungen gegen die Bedürfnisse des Face von Sender und Empfänger, wird von so genannten Face-Threatening Acts gesprochen.

Face-Erhalt

Der Face-Erhalt ist von dem Wechselspiel in der sozialen Interaktion zwischen Sender und Empfänger abhängig. Werden die jeweiligen Faces von Sender und Empfänger in einer Interaktion sowie die entsprechenden Rollen des jeweils anderen akzeptiert, spricht man vom so genannten Face-to-Face Talk. So entspricht es beispielsweise der Rolle des Lehrers, seinen Schüler zu unterbrechen, während der Schüler bei einer Unterbrechung Gefahr läuft, die Authorität seines Lehrers infrage zu stellen.

Um eine Fehlleitung des eigenen Face und das des Adressaten zu vermeiden, werden soziale Handlungen deshalb in einer bestimmten Reihenfolge angeordnet. Hierbei handelt es sich um so genannte Expressive Orders. Expressive Orders kommen ebenfalls zur Anwendung bei der Wiederherstellung des Face, sofern eine Fehlleitung erfolgt ist. Übertragen auf das Kommunikationsverhalten erkennen die Sprachwissenschaftler Stephen Levinson und Penelope Brown die sprachliche Höflichkeit als universelles Werkzeug für den Face-Erhalt in sozialer Interaktion an.

Fehlleitung des Face

Das Face des Senders und Empfängers befindet sich in einem ständigen Prozess. Das Verhalten eines Individuums zu einem bestimmten Zeitpunkt und die Informationen, welche zur Person übermittelt werden, wecken bei Interaktionspartnern gleichzeitig Erwartungen für die Zukunft. Entsprechen gesendete Signale den Erwartungen zu einem späteren Zeitpunkt nicht mehr, wird von einer Fehlleitung des Face gesprochen. Es entsteht dabei der Eindruck, dass diese Signale nicht zu der entsprechenden Person passen.

Bei einer Fehlleitung des Face wird zwischen zwei Arten unterschieden. Passen übermittelte Informationen über das Individuum nicht zu dem bekannten Gesamtbild, ist diese Person in einem wrong-Face. Dies ist beispielsweise der Fall, wenn eine Person in einer Gruppe immer pünktlich auftritt und dennoch von Außenstehenden als unpünktlich bezeichnet wird. Stimmen hingegen das Verhalten und die Handlungen einer Person nicht mit dem gewohnten Gesambild überein, befindet sich die Person out-of-Face. Eine in einer sozialen Gruppe immer als pünktlich auftretende Person ist zum Beispiel out-of-Face, wenn sie innerhalb dieser Gruppe auf einmal zu spät zu Verabredungen erscheint.

Face-Work

Um dem Face-Erhalt zu dienen und gleichzeitig eine Fehlleitung des Face zu vermeiden, ist nach Goffman ein Face-Work erforderlich. Dieses ist in zwei Prozesse eingeteilt, welche zu unterschiedlichen Zeitpunkten in der Interaktion eintreten. Sofern eine Bedrohung des eigenen Face noch nicht eingetreten ist, werden Vermeidungsprozesse eingeleitet. Die Konfrontation mit Situationen und Personen, die eine potenzielle Bedrohung des Face bewirken können, werden hierbei umgangen. Vermeidungsstrategien gliedern sich in unterschiedlichen Taktiken:

  • Defensive Taktiken beschreiben die Unterdrückung von Emotionen oder Vermeidung von bestimmten Themen bis das gewünschte Selbstbild durch den Adressaten anerkannt wurde.
  • Schützende Taktiken enthalten ein höfliches Verhalten und Diskretion gegenüber dem Adressaten. Dabei werden unter anderem Aussagen und Antworten modifiziert.
  • Präventivmaßnahmen sind Vorankündigungen, welche mögliche Entwicklungen in der Interaktion vorwegnehmen. Dazu gehört zum Beispiel die Ankündigung, dass eine Person zum Schnellsprechen oder zu anderen bestimmte Verhaltensweisen neigt, so dass sich andere darauf einstellen können.
  • Ignorieren von unangenehmen Ereignissen innerhalb einer Situation hilft, über ebendiese hinwegzusehen. Beispielsweise kann ein Individuum vorgeben, das eigene Magenknurren nicht gehört zu haben. Dies erfordert jedoch Kooperationsbereitschaft durch die Adressaten.

Ist eine potenzielle Bedrohung beziehungsweise Fehlleitung des eigenen Face nicht aufzuhalten, kann mithilfe eines korrektiven Prozesses das Face wiederhergestellt werden. Damit ein korrektiver Prozess wie beispielsweise die Entschuldigung gelingt, ist dieser einer expressive order entsprechend in vier Phasen eingeteilt:

  • In Phase 1 muss das Individuum sein Fehlverhalten erkennen und Verantwortung dafür übernehmen.
  • In Phase 2 muss ein Signal der Reue an den Adressaten gesendet werden.
  • In Phase 3 muss dem Adressaten eine Wiedergutmachung angeboten werden.
  • In Phase 4 muss der Adressat dieses Angebot annehmen.

Korrektive Prozesse funktionieren nur dann, wenn alle vier Phassen erfolgreich durchlaufen wurden.

Positive und Negative Face

Face-work richtet sich sowohl an die minimalen Bedürfnisse des Face (negative face) als auch die optimalen Bedürfnisse beziehungsweise die gewünschte Wertschätzung der eigenen Persönlichkeit (positive face). Die Differenzierung des Face in Positive und Negative Face wurde erstmals durch Levinson und Brown in den 1970er Jahren vorgenommen.


Herkunft

Englisch Face - Gesicht

Siehe auch

Face-Threatening Act

Positive und Negative Face

Andere Sprachen

Literatur

  • Brown, Penelope und Levinson, Stephen (1978): Universals in Language Usage: Politeness Phenomena. In: Goody, E. N. [Hrsg.]: Questions and Politeness: Strategies in Social Interaction. Cambridge: Cambridge University Press, S. 56-311.
  • Goffman, Erving (1967): On Face-Work. An Analysis of Ritual Elements in Social Interaction. In: Ders.: Interaction Ritual. New York: Doubleday, S. 5-45.
  • Turner, Ken und Sbisa, E. (2013) [Hrsg.]: Handbook of Pragmatics: Pragmatics of Speech Actions. Berlin: Mouton de Gruyter.
  • Watts, Richard [Hrsg.] (1992): Politeness in Language. Berlin: Mouton de Gruyter.


Links

Wikipedia Wikipedia: Face (sociological concept) (English)