Nordsaamisch

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Nordsaamisch
Autonym: Sámegiella, Davvisámegiella
WALS:
Ethnologue 15: Saami, North
Gesprochen in: Finnland, Schweden, Norwegen
WALS-Lage:
Sprecher: 15.000 (Norwegen); 30.000 (insgesamt)
Familie: Uralisch
Unterfamilie: Saamisch
  • Zentralsaamisch
Status
Amtssprache in: -
ISO-Codes
ISO 639-1: se
ISO 639-2: sme -
ISO 639-3: sme
MPIExt-1:


Das Nordsaamische gehört zur zentralsaamischen Gruppe der saamischen Sprachen. Es wird in Norwegen, Schweden und Finnland gesprochen. Die Sprecherzahlen variieren. Es gibt viele Lehnwörter aus dem Norwegischen, Schwedischen, Finnischen und dem Ur-Germanischen.

Name

Nordsaamisch (-samisch, -sámi), Eigenbezeichnung: (Davvi-)Sámegiella.

Alternative Namen:

  • Nordlappisch
  • Norwegisch-Lappisch


Verbreitung

Im Norden von Schweden (Norrbotten/Lappland), Norwegen (Troms/Finnmark) und Finnland (Lappland).

Standardsprache seit 1948, reformiert 1973. Als Minderheitensprache anerkannt in den Kommunen Kautokeino, Karasjok, Kåfjord, Nesseby, Porsanger und Tana (N), Gällivare, Jokkmokk und Kiruna (S) sowie Enontekiö, Inari, Sodankylä und Utsjoki (SF).

Sprecher

Die Schätzungen schwanken von ca. 15000 bis 25000.

Dialekte

Nordsaamisch hat folgende Hauptdialekte: Torne-Saami, Finnmark-Saami und See-Saami.

Torne-Saami bildet den Übergang zur westlichen Gruppe (Lule-Saami), während das See-Saami besonders durch einige Archaismen auffällt, die es mit dem Ostsaamischen teilt.

Klassifikation

Uralisch
Finno-Ugrisch
Saamisch
Zentralsaamisch

Orthographie

Das Nordsaamische benutzt das lateinische Alphabet unter Hinzufügung von diakritischen Zeichen.

Grammatik

Phonologie

Das Nordsaamische hat 5 kurze Vokale: /u, o, a, e, i/. Sie können als lange (doppelte) Vokale /uu, oo, aa, ee, ii/ oder als Diphtonge /uo, oa, ea, ie/ auftreten.


Morphologie

Die Konsonanten im Nordsaamischen sind sowohl in der Konjugation als auch in der Deklination von dem Stufenwechsel betroffen. Sie treten in einer starken oder in einer schwachen Stufe auf. Der Stufenwechsel kann entweder quantitativ oder qualitativ sein.


Quantitativer Stufenwechsel - doppelte Konsonanten in der schwachen Stufe werden zu einfachen reduziert.

schwache Stufe starke Stufe / schwache Stufe starke Stufe
/x/ /xx/
/xx/ /x:/
/xz/ /x:z/

Beispiel :

guoli -> guolli (/kuoli:/->/kuolli:/) "Fisch"

golli -> golli (/kolli:/->/kol:li:/) "Gold"

barggu -> bargu (/parku:/->/par:ku:/) "die Arbeit"


Qualitativer Stufenwechsel - die Qualität der Konsonanten verändert sich.

schwache Stufe starke Stufe Beispiel
/XX/ /xx/ lotti -> loddi "der Vogel"
/Xn/ /xn/ biepmu -> biebmu "das Essen"


Nomen werden dekliniert nach:

  • Numerus: Singular, Plural
  • Kasus: Nominativ, Genitiv, Akkusativ, Lokativ, Illativ, Komitativ, Essiv. Einige Dialekte fügen auch Abessiv (bedeutet: „ohne“) dazu. Aber in vielen Dialekten ist dieser historische Kasus in eine Postposition übergegangen.
  • Besitz („possession“).

Es gibt absolute Deklination (Besitz wird nicht angezeigt) und possessive Deklination (Besitz wird angezeigt).

Das Verb hat die folgenden Kategorien:

  • Genus verbi: Aktiv, Passiv
  • Modus: Indikativ, Konjunktiv, Potentialis, Imperative
  • Tempus: Präsens, Präteritum
  • Numerus: Singular, Dual, Plural
  • Person: 1, 2, 3

Es gibt auch viele infinite Formen: Infinitive, Konnegative (werden mit negierten Verb benutzt), Partizipien und Gerundien.

Reduplikation kann man in zwei morphologischen Kategorien finden:

gahča-gahča „ständig fallend“ (gahča „fallend“ von dem Verb gahččat „fallen“)

ovttaid-ovttaid „eins nach dem anderen“ ( ovttaid ist GEN.PL von okta „ein“)

Suppletion ist selten. Sie tritt bei Kopula-Verben (lea- und orru-) und einigen Adverbien auf.

Syntax

Das Nordsaamische ist eine SVO-Sprache: das Agens steht im Nominativ; das Patiens (meistens) im Akkusativ:

(1)

áhčči ōinni-i Niillasa
Vater.NOM sehen-3SG.PST Nils-ACC.SG
"Der Vater sah Nils"


(2)

mátki lea guhkki
Reise sein-3SG.PRS lang
„Die Reise ist lang“


Das Subjekt ist kein obligatorisches Element: Personalpronomen der 1. und 2. Person kann man im Satz weglassen.


Intransitive Verben

Man kann drei Klassen von intransitiven Verben unterscheiden:

1. Bei intransitiven Verben, die Witterungsphänomene beschreiben, wird kein Subjekt benutzt:


arvit „regnen“ arvá „Es regnet“

bieggat „windig sein“ bieggá “Es ist windig”

muohta “Schnee” muohttá „Es schneit“

leat čoaskkis “kalt sein” lea čoaskkis „Es ist kalt“


2. intransitive Verben, die ein Subjekt nehmen:

nohkkat „ins Bett gehen“ čohkkat „sitzen“

girdit „fliegen“ eallit „leben“


3. intransitive Verben, die ein Subjekt und ein Komplement nehmen:

mannat „gehen“

boahtit „kommen“,

mátkkoštit „reisen“

Transitive Verben

1. transitive Verben, die ein Objekt nehmen:

goarrut „nähen”

gullat „hören“,

čuohppat „schneiden“

diehtit „wissen“

2. transitive Verben, die ein Objekt und ein Komplement nehmen:

doalvut „nehmen“

addit „geben“


Valenzreduzierende Konstruktionen

Reflexiv

Man kann im Nordsaamischen ein Reflexiv morphologisch oder analytisch bilden:

Morphologisch:

- d- - bei zweisilbigen Stämmen (Stämme haben schwache Stufe. Verben auf –ut haben Vokalalternation u->o und Diphtong)

- (á)d- - bei zweisilbigen Stämmen auf –it und –at (Stämme haben starke Stufe. Vokalalternation vor der Endung ist á)

-(a)dd- / -(a)ll- – bei kausativen Verben auf –it (Verben auf –uhit haben Vokalalternation u->o und Diphtongklang. Bindevokal vor der Endung ist a)

(3)

Mun basa-d-an
I-NOM waschen-REFL-1SG.PRS
“Ich wasche mich”

Es ist möglich, das „Subjektpronomen“ wegzulassen, aber nur bei der 1. und 2. Person.


(4)

Basa-d-an
waschen-REFL-1SG.PRS
„Ich wasche mich“


čuohppat „schneiden“ čuohpa-d-it „sich schneiden“

bassat „waschen“ basa-d-it „sich waschen“

geassit „ziehen, beziehen“ geass-ád-it „sich ziehen“

luoitit „loslassen, abwerfen“ luoit-ád-it „sich abwerfen, sich loslassen“

vealuhit „legen“ veloh-add-at/veloh-all-at „sich hinlegen“


Analytisch: (Valenz des Verbes wird nicht verändert)

mit dem Reflexivpronomen ieš(SG) und ieža(PL). Es kongruiert mit seinem Antezedens in Numerus und Person.

(5)

Mun bas-an su
1SG.NOM waschen-1SG.PRS 3SG.ACC
“Ich wasche sie/ihn”

(6)

Mun bas-an iehčan
1SG.NOM waschen-1SG.PRS sich.1SG.ACC
“Ich wasche mich”

(7)

Bas-an iehčan
waschen-1SG.PRS sich.1SG.ACC
"Ich wasche mich”

(8)

* Mun basa-d-an mu/ iehčan/ beatnaga
1SG.NOM waschen-REFL-1SG.PRS 1SG.ACC/ sich.1SG.ACC/ dog.SG.ACC
“*Ich wasche mich mich/ mich/ den Hund”
Reziprok

Morphologisch:

-d- - bei zweisilbigen Stämmen auf –at und –ut (Stämme haben schwache Stufe. Verben auf –ut haben Vokalalternation u->o und Diphtong)

-(a)l- - bei zweisilbigen Stämmen auf –it (Stämme haben starke Stufe: i->a vor der Endung)

-(a)š- - bei zweisilbigen Stämmen auf –it (Stämme haben schwache Stufe: i->a vor der Endung)

-(a)dd- / -(a)ll- - kausative Verben auf –it (Verben auf –uhit haben Vokalalternation u->o und Diphtongklang. Bindevokal vor der Endung ist a)


dovdat „kennen“ dovdda-d-it „einander kennen“

gávdnat „finden“ gávnna-d-it „einander treffen“

oaidnit „sehen“ oaidn-al-it „einander sehen“

čállit „schreiben“ čála-š-it „einander schreiben“


(9)

Máhtte oinni-i mu
M.NOM sehen-3SG.PRS 1SG.ACC
“Máhtte sieht mich”

(10)

Máhtte ja mun oaidn-ali-t
M.NOM and 1SG.Nom see-RECP-3PL.PRS
“Máhtte und ich sehen einander”


Analytisch: (Valenz des Verbes wird nicht verändert)

es gibt drei Reziprokpronomen:


nubbi nuppi “einander”

goabbat guoibmi+poss. Suffix “einander” bei DU

guhtet guoibmi+poss. Suffix “einander” bei PL


Das Possessivsuffix richtet sich in Person und Numerus nach dem Satzsubjekt.

(11)

Moai dovde-ø nubbi nuppi
1DU.NOM kennen-1DU.PRS einander. SG.ACC/GEN
Moai dovde-ø goabbat guoibm-áme
1DU.NOM kennen-1DU.PRS einander.SG.ACC/GEN-POSS.1DU
„Wir zwei kennen einander“

(12)

Dii oahppa-bentet nuppit nuppiin
2PL.NOM lehren-2PL.PRS einander. PL.LOC
„Ihr lehrt einander“
Dii oahppa-bentet guhtet guoimmi-steattet
2PL.NOM lehren-2PL.PRS einander- POSS.2PL.LOC
„Ihr lehrt einander“
Dii oahppa-bentet guhtet guimmi-ineattet
2PL.NOM lehren-2PL.PRS einander -POSS.2PL.COM
„Ihr lehrt einander“
Passiv

Morphologisch:

-(o)juvv- / -ø- - bei zweisilbigen Stämmen (Stämme bekommen verlängerte starke Stufe. Vokalalternation zu o)

-(u)vv- - bei dreisilbigen Stämmen (Vokalalternation zu u)

-juvv- - bei kontrahierenden Verben

-hall- / -hadd- bei zweisilbigen Stämmen (Stämme bekommen schwache Stufe. Vokalalternation i->á und u->o. Diphtongklang vor dem o) -s- - bei zweisilbigen Stämmen (Stämme haben starke Stufe. Vokalalternation i->á und u->a)


Aktiv:

(13)

Son goarru-ø gávti-i
3Sg.NOM nähen-3SG.PRS Tunika-ILLAT
„Er/Sie näht die Tunika“

Passiv:

(14)

Gákti-ø gorro-juvvo
Tunika-NOM.SG nähen-PASS-3SG.PRS
„Die Tunika wird genäht“


Das Passiv in Saami unterscheidet sich von dem Passiv in anderen Sprachen: sein Hauptfunktion ist das Agens zu vermeiden und nicht das Patiens zu topikalisieren:


(15)

Dat dolv-ojuv`v-ui buohccevīssu-i
Diese/r.NOM bringen-PASS-Sg3.PST Krankenhaus-ILL.SG
“Diese/r wurde ins Krankenhaus gebracht”


doalvut „bringen“ dolv-ojuvv-ot „gebracht werden“

gullat „hören“ gull-ojuvv-at / gull-ø-ot „gehört werden“


gáskit “beißen” gáskká-hall-at “gebissen werden”

fillet „betrügen“ fille-hall-at „betrügt werden“

bohčit “drücken” bohčá-s-it “gedrückt werden”

čoavdit „lösen“ čoavdá-s-it „gelöst werden”


Der Passiv kann auch bei den intransitiven Verben gebildet werden:

(16)

eallit „leben“

el`l-ojuv`v-ui
leben-PASS-3SG.PST
„Es wurde gelebt”

Valenzerweiternde Konstruktionen

Kausativ

Man kann Kausativ von transitiven und intransitiven Verben bilden.

Kausativ wird morphologisch gebildet:

-h- - bei einem schwachen Stamm

-htt- - bei den Stämmen mit 4 Silben auf –uvvat und –allat

-(a)htt- - bei dreisilbigen Stämmen (Bindevokal - a)

-d- - bei zweisilbigen Stämmen mit den Endungen -at und -ut (Stämme bekommen starke Stufe)


Kausative Verben, die von transitiven Verben gebildet werden, sind Kurative („curatives“). Sie nehmen das Objekt und den Agens (im Illativ)


goarrut „nähen“ goaru-h-it „nähen lassen“

(17)

Mun gourr-un gávtt-ø
1SG.NOM nähen-1SG.PRS saamische Tunika-SG.ACC
“Ich nähe eine saamische Tunika”

(18)

Mun goaru-h-in oabbá-i gávtt-i
1SG.NOM nähen-CAUS-1SG.PST [meine] Schwester- SG.ILLAT saamische Tunika-ILLAT.SG
„Ich lasse meine Schwester eine saamische Tunika nähen“

(19)

Máhtte cuvki-i láse
Máhtte.NOM brechen-3SG.PST Fenster.ACC
„Máhtte brach das Fenster”

(20)

Mun cuvke-h-in Máhte láse
1SG.NOM brechen(kaputt machen)-CAUS-1SG.PST Máhtte.ACC Fenster.ACC
„Ich veranlasse Máhtte, das Fenster kaputt zu machen“

Man kann das Kausatum weglassen (Faire Par Konstruktion):

(21)

Mun cuvke-h-in ø láse
1SG.NOM brechen(kaputt machen)-CAUS-1SG.PST ø Fenster.ACC
„Ich lasse das Fenster kaputt machen“

Man kann kein Kausativ mit nicht-agentiven Verben bilden:

(22)

*Mun gula-h-in máná musihka
1SG.NOM hören-CAUS-1SG.PST Kind.ACC Musik.ACC
„Ich veranlasse das Kind die Musik zu hören“

(23)

*Mun gula-h-in ø musihka
1SG.NOM hören-CAUS-1SG.PST ø Musik.ACC
„Ich veranlasse jemanden die Musik zu hören“


Man kann kein Passiv mit kausativen Verben bilden, wenn der Kausator ausgedrückt ist:


(24)

*Máhtte cuvke-h-juvvi-i lása
Máhtte.NOM brechen(kaputt machen)-CAUS-PASS-3SG.PST Fenster.ACC
„Máhtte wurde veranlasst das Fenster kaputt zu machen“

(25)

*Lássa cuvke-h-juvvi-i Máhte
Fenster.NOM brechen(kaputt machen)-CAUS-PASS-3SG.PST Máhtte.ACC
„Das Fenster wurde veranlasst von Máhtte kaputt zu werden“

(26)

Lássa cuvke-h-juvvi-i
Fenster.NOM brechen(kaputt machen)-CAUS-PASS-3SG.PST
„*Das Fenster wurde veranlasst kaputt zu werden“


Kausative Verben, die von intransitiven Verben gebildet werden, gehören zu zwei semantischen Kategorien:


1. Kurative („curatives“):

čierrut „schreien“ čieru-h-it „schreien lassen“

girdit „fliegen“ girddi-h-it „fliegen lassen“

čohkkát „sitzen“ čohkká-h-it „sitzend halten”

báhtarit „fliehen, flüchten“ báhtara-htt-iit „fliehen lassen“


2. Induktive („inductives“):

nohkkat „schlafen gehen“ nohkka-d-it „ins Bett bringen“

jávkat „verschwinden“, jávka-d-it „verschwinden“

eallit „leben“ eali-h-it „am Leben halten,unterstützen“

jaskkodit „leise werden“ jaskkoda-htt-it „schweigen“


(27)

Mun viega-h-in Máhtte
1SG.NOM rennen-CAUS-1SG.PST Máhtte
„Ich veranlasste Máhtte zu rennen“


Passiv:

(28)

Máhtte viega-h-juvv-ui
Máhtte rennen-CAUS-PASS-3SG.PST
“Máhtte wurde zum Rennen veranlasst”

Literatur

Nickel, Klaus Peter (1994). Samisk grammatikk. Oslo: Berlings.

Outakoski, Hanna (2003). On reflexive binding in North Sami.

Sammallahti, Pekka (1998). The Saami languages. An Introduction. Kárášjoka: Davvi Girji.

Vinka, Erling Mikael (2003). Causativization in North Sami. Disseration, Department of Linguistics McGill University, Montreal.


Abkürzungen

ACC - Akkusativ

CAUS- Kausativ

DU - Dual

ILLAT - Illativ

LOC -Lokativ

NOM- Nominativ

PL - Plural

POSS - Possessivsuffix

PRF - Perfekt

PRS - Präsens

PST- Präteritum

PTC - Partizip

RECP - Reziprok

SG - Singular

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