Sprichwort

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Sprichwörter sind kurze, allgemein bekannte Sätze, die Weisheiten, Wahrheit und Tradition auf feste, aber metaphorische Art und Weise vermitteln. Durch ihre einprägsame Form und ihren volkstümlichen Erfahrungen sind sie im Munde des Volkes und so ein praktisches Ausdrucksmittel im Sprachgebrauch. Allgemein zeichnen sich Sprichwörter besonders durch fünf Merkmale aus und werden dadurch definiert: sie sind in sich geschlossen, haben eine künstliche, aber einprägsame Form, sind dem Volk bekannt, enthalten eine lehrhafte Tendenz und sind meist bildhaft. Zudem sind sie polylexikalisch und unterschiedlich idiomatisch.[1]

Form und Merkmale

Form

Sprichwörter gelten als formal und inhaltlich abgeschlossene Sätze und stehen somit in einer festen und unveränderlichen Formulierung, die man „geschlossene Form“ nennen kann.[2] Wesentliche Satzglieder können hier nicht einfach ausgetauscht werden.[3] Da sie nicht durch eine lexikalische Einheit komplettiert werden müssen, fungieren Sprichwörter als feste Einheit, die auch ohne Kontext eine sinnvolle Aussage vermitteln und so als „Mikrotexte“ bzw. „Phraseo-Texte“ definiert werden können.[4] Sowohl äußerlich, als auch innerlich sind Sprichwörter durch stark ausgeprägte, stilistische Elemente geformt.[5] Äußerlich zeichnet sich ein Sprichwort durch rhetorische Merkmale wie Reime (Stab-, End-, Binnenreim), Sinnreime, Rhythmus und Parallelismus aus.[6]

Beispiele:

Eile mit Weile.

Eifersucht ist eine Leidenschaft, die mit Eifer sucht, was Leiden schafft.

Innerlich meinte die stilistische Formbildung vielmehr den Gehalt von Bildhaftigkeit und Beseelung, aber auch andere Aufmerksamkeit erregende Inhalte wie Groteske, Ironie etc.[7]

Bildlichkeit

Ein wesentliches Merkmal eines Sprichwortes ist also seine Bildhaftigkeit. So versucht ein Sprichwort durch einen allegorischen Ausdruck auf die Vorstellung einzuwirken und so die Wahrheit beziehungsweise die Absicht zu umschreiben, um die klare und offensichtliche Rede zu umgehen.[8] Ein Sprichwort kann bildhaft sein, muss es aber nicht. So existiert auch eine Reihe von Sprichwörtern, die ganz ohne Bildhaftigkeit und Übertragung auskommen, die sogenannten abstrakten Sprichwörter.[9]

Aufgrund dieser Eigenschaft lassen sich Sprichwörter zwei Kategorien zuordnen. Auf der einen Seite stehen die Sprichwörter, deren Bedeutung sich allein aus den Elementen des Satzes entnehmen lässt und auf der anderen Seite stehen solche Sprichwörter, deren Bedeutung durch das Bild vermittelt wird.[10] Daraus ergibt sich, dass es auch Sprichwörter gibt, die zwischen diesen beiden Kategorien schweben und somit keine eindeutige Leseart haben. Diese besitzen zwei unterschiedliche Lesearten, denn sie können sowohl wörtlich verstanden werden, als auch in ihrer übertragenen Bedeutung.[11]

Beispiel:

Keine Rose ohne Dornen.

Ein Sprichwort kann somit durch seine praktische Form und die Aufbereitung der Inhalte einen wichtigen Gedankengang kurz und prägnant und damit leicht einprägsam komprimieren.

Volksläufigkeit

Sprichwörter sind als allgemeingültige Sätze anzusehen, die die Erfahrungen des Lebens auf verschiedenen Ebenen zusammenfassen.[12] Diese Erfahrungen bilden eine Art Volksweisheit, die man im gewöhnlichen Leben anwendet.[13] Um in den Volksmund zu gelangen, haben Sprichwörter diese schlichte und einfältige Form und enthalten Wörter, die dem Volk bekannt sind.[14] Trotz der heutigen Eigenschaft der allgemeinen Volksläufigkeit gab es in der Vergangenheit die Einteilung proverbia de rustico/de trivio, die Sprichwörter des einfachen Volkes, und die voces sapientum, die Sprichwörter der gehobenen Gesellschaft.[15] Diese Einteilung gilt heute nicht mehr: Sprichwörter sind in der breiten Masse der Bevölkerung bekannt und angewandt.

Funktion und Gebrauch

Funktion

Sprichwörter erfüllen verschiedene Funktionen. So können sie einerseits eine soziale Funktion haben und andererseits im Kontext funktionieren.

Bezüglich der sozialen Funktion formulieren Sprichwörter Überzeugungen, Werte und Normen.[16] Sie besitzen somit einen lehrhaften Charakter, der sich auf die Lebensführung bezieht und Erkenntnisse zu vermitteln versucht, um so das Leben beziehungsweise die Auffassung davon zu gestalten.[17] Diese Wirkung ist von der kontextuellen Funktion abzugrenzen. Denn diese umfasst vielmehr eine allgemeine Aussage, mit der eine bestimmte Situation erklärt, eingeordnet oder auch beurteilt wird.[18] Diese Aussage kann ganz verschiedene Formen annehmen: Warnung/Mahnung, Kritik, Belehrung, Vorschrift, Trost, Argument, Rechtfertigung, Bestätigung etc. Dabei muss das Sprichwort jene Absicht aber nicht immer direkt aussprechen, denn diese kann auch in Form eines Beobachtungs- oder Erfahrungssatzes stehen, so dass die Absicht nur indirekt deutlich wird beziehungsweise dem Sprichwort entnommen werden muss.[19] Die soziale und kontextuelle Funktion sind dennoch als Verbindung anzusehen, denn nur, wenn das Sprichwort eine kontextuelle Funktion übernimmt, kann sich auch die soziale Funktion behaupten.[20]

Beispiele:

Wer zuerst kommt, malt zuerst.

Übermut tut selten gut.

Allgemein gesehen kann ein Sprichwort während eines Sprechaktes eine Meinung stützen, hervorheben oder bestätigen und kennzeichnet so den Höhepunkt oder auch den Abschluss eines Gesprächs.[21]

Gebrauch

Aristoteles sah Sprichwörter als Überbleibsel alter Weltweisheiten, sie fassten das Nachdenken und die Erfahrung der Vorfahren zusammen.[22] Diese Auffassung geht mit dem lehrhaften Charakter eines Sprichwortes einher. Noch heute wird das Sprichwort, gerade im alltäglichen Gebrauch , im traditionellen Sinn gebraucht und bleibt als Warnung, Urteil, Klugheitsregel, Haushaltsregel, Vorschrift fester Bestand.[23] Diese wichtige Rolle, die ein Sprichwort übernimmt, zeigt, dass es kein vom Aussterben bedrohtes Sprachphänomen ist.[24] Es zeigt sich aber eine allgemeine Entwicklung zur Entstehung von Verkürzungen und Schwundstufen, denn ein vielfacher Gebrauch führt zur allgemeinen Bekanntheit eines Sprichwortes, was zufolge hat, dass eine Andeutung genügt.[25] In den Medien und in der Werbung tritt dieser traditionelle Gebrauch des Sprichwortes in den Hintergrund, vielmehr nimmt der Gebrauch dort spielerische Züge an, so dass es auch hier zu Abwandlungen (Variantenbildung, Verfremdung, Verkürzung) allgemein bekannter Sprichwörter kommt.[26]

Entstehung und Quellen

Wann genau Sprichwörter entstanden sind und wann genau der Gebrauch dieser zu datieren ist, ist nicht bekannt.

Dennoch gilt gerade die Bibel als unerschöpfliche Quelle, denn viele Sprichwörter haben ihren Ursprung in biblischen Zitaten.[27] Auch andere Schriften des Altertums, wie die von Kirchvätern und Theologen, die Orakelsprüche des Heidentums gelten als Quelle von Sprichwörtern, sowie auch Dichtungen, Volksgesänge, Sinn- und Wahlsprüche aus der Zeit des Mittelalters.[28] Auch die Neuzeit bietet eine Reihe literarischer Zitate, die als Sprichwort Einzug in den Volksmund gehalten haben. Das Interesse an den Sprichwörtern zeigt sich zudem an der Entstehung vieler Sprichwortsammlungen.[29]

Sprichwörter entstehen allerdings nur selten durch literarische Nachweise, vielmehr entstehen sie durch Augenblickbildungen, wenn eine treffende Formulierung einer bestimmten Situation geäußert wird.[30] Dieser wird durch eine kontinuierliche Wiederholung von anderen aufgenommen und so entsteht ein Erfahrungssatz, der kurz und prägnant eine allgemeingültige Aussage enthält.

Abgrenzung zur sprichwörtlichen Redensart

Das Sprichwort und die sprichwörtliche Redensart sind miteinander verwandt und es existieren Übergänge zwischen ihnen, was eine deutliche Grenzziehung nicht ermöglicht, sie stehen aber dennoch nebeneinander.[31] Die Unterschiede dieser beiden idiomatischen Wendungen liegen vor allem in Form, Struktur und Funktion.[32] Sprichwörtliche Redensarten können nicht alleine stehen, sondern benötigen einen Kontext, sowie den Einsatz eines Subjekts. So kann auch ein Sprichwort zu durch Weglassen des Subjekts die Form einer sprichwörtlichen Redensart annehmen.[33]

Zwar haben beide Bereiche oftmals ein aussagekräftiges Bild, so beinhaltet aber nur das Sprichwort eine lehrhafte Tendenz, sprichwörtliche Redensarten haben vielmehr einen kommunikativen Wert.

Literatur

  • Burger, Harald: „Idiomatik des Deutschen.“ Niemeyer: Tübingen 1973.
  • Burger, Harald: „Phraseologie. Eine Einführung am Beispiel des Deutschen.“ Schmidt: Berlin 2010.
  • Haller, Joseph: „Altsprachliche Sprichwörter und sprichwörtliche Redensarten aus den Zeiten vor Cervantes. 1. Teil.“ Regensburg 1883.
  • Koller, Werner: Redensarten. linguistische Aspekte, Vorkommensanalysen, Sprachspiel. Tübingen: Niemeyer 1977.
  • Peukes, Gerhard: „Untersuchungen zum Sprichwort des Deutschen. Semantik, Syntax, Typen.“ Schmidt: Berlin 1977.
  • Pilz, Klaus Dieter: „Phraseologie. Redensartenforschung.“ Metzler: Stuttgart 1981.
  • Röhrich, Lutz: „Das große Lexikon der sprichwörtlichen Redensarten. Bd. 1.“ Herder: Freiburg 1991.
  • Röhrich, Lutz und Mieder, Wolfgang: „Sprichwort.“ Metzler: Stuttgart 1977.
  • Seiler, Friedrich: „Deutsche Sprichwörterkunde.“ Beck : München 1967.
  • Wander, Karl Friedrich Wilhelm: „Das Sprichwort. Betrachtet nach Form u. Wesen, für Schule u. Leben, als Einleitung zu einem großen volksthümlichen Sprichwörterschatz.“ Lang: Bern [u.a.] 1983.

Einzelnachweise

  1. vgl. Burger: "Phraseologie. Eine Einführung am Beispiel des Deutschen". 2010, S. 108.
  2. vgl. Wander: "Das Sprichwort. Betrachtet nach Form u. Wesen, für Schule u. Leben, als Einleitung zu einem großen volksthümlichen Sprichwörterschatz". 1983, S. 39 und Burger, Harald: "Phraseologie: Eine Einführung am Beispiel des Deutschen". 2010, S. 106.
  3. vgl. Seiler: "Deutsche Sprichwörterkunde". 1967, S. 2.
  4. vgl. Burger: "Phraseologie: Eine Einführung am Beispiel des Deutschen". 2010, S. 106.
  5. vgl. Burger: "Idiomatik des Deutschen". 1973, S. 54.
  6. vgl. ebd. und Seiler: "Deutsche Sprichwörterkunde". 1967, S. 4.
  7. vgl. Seiler: "Deutsche Sprichwörterkunde". 1967, S. 4f.
  8. vgl. ebd., S. 5f.
  9. vgl. Röhrich: "Das große Lexikon der sprichwörtlichen Redensarten. Bd. 1". 1991, S. 31.
  10. vgl. Burger: "Idiomatik des Deutschen". 1973, S. 55.
  11. vgl. Burger: "Phraseologie: Eine Einführung am Beispiel des Deutschen". 2010, S. 108.
  12. vgl. Röhrich: "Das große Lexikon der sprichwörtlichen Redensarten. Bd. 1". 1991, S. 23.
  13. vgl. Wander: "Das Sprichwort. Betrachtet nach Form u. Wesen, für Schule u. Leben, als Einleitung zu einem großen volksthümlichen Sprichwörterschatz". 1983, S. 38.
  14. vgl. Seiler: "Deutsche Sprichwörterkunde". 1967, S. 2.
  15. vgl. ebd., S. 3.
  16. vgl. Burger: "Phraseologie: Eine Einführung am Beispiel des Deutschen". 2010, S. 107.
  17. vgl. Seiler: "Deutsche Sprichwörterkunde". 1967, S. 2f.
  18. vgl. Burger: "Idiomatik des Deutschen". 1973, S. 54.
  19. vgl. Seiler: "Deutsche Sprichwörterkunde". 1967, S. 4.
  20. vgl. Burger: "Phraseologie: Eine Einführung am Beispiel des Deutschen". 2010, S. 108.
  21. vgl. Koller: "Redensarten. Linguistische Aspekte, Vorkommensanalysen, Sprachspiel". 1977, S. 52.
  22. vgl. Wander: "Das Sprichwort. Betrachtet nach Form u. Wesen, für Schule u. Leben, als Einleitung zu einem großen volksthümlichen Sprichwörterschatz". 1983, S. 39.
  23. vgl. Burger: "Phraseologie: Eine Einführung am Beispiel des Deutschen". 2010, S. 123 und Röhrich: "Das große Lexikon der sprichwörtlichen Redensarten. Bd. 1". 1991, S. 23.
  24. vgl. Burger: "Phraseologie: Eine Einführung am Beispiel des Deutschen". 2010, S. 120.
  25. vgl. Röhrich: "Das große Lexikon der sprichwörtlichen Redensarten. Bd. 1". 1991, S. 27.
  26. vgl. Burger: "Phraseologie: Eine Einführung am Beispiel des Deutschen". 2010, S. 122f.
  27. Zitiert nach Röhrich: "Das große Lexikon der sprichwörtlichen Redensarten. Bd. 1". 1991, S. 30.
  28. vgl. Haller: "Altsprachliche Sprichwörter und sprichwörtliche Redensarten aus den Zeiten vor Cervantes. 1. Teil". 1883, S. 8.
  29. vgl. Röhrich: "Das große Lexikon der sprichwörtlichen Redensarten. Bd. 1". 1991, S. 42.
  30. vgl. ebd., S. 28.
  31. vgl. Seiler: "Deutsche Sprichwörterkunde". 1967, S. 11 und Röhrich: "Das große Lexikon der sprichwörtlichen Redensarten. Bd. 1". 1991, S. 24.
  32. vgl. Röhrich: "Das große Lexikon der sprichwörtlichen Redensarten. Bd. 1". 1991, S. 23.
  33. vgl. ebd., S.24.