Kohäsion
Unter Kohäsion versteht man semantisch-syntaktische Verknüpftheit von Sätzen in einem Text.
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Die terminologische Abgrenzung von Kohäsion und Kohärenz ist nicht einheitlich; beide Begriffe wurden in einzelnen Phasen der textlinguistischen Entwicklung und in verschiedenen textlinguistischen Ansätzen unterschiedlich verwendet (vgl. dazu auch Rickheit & Schade 2000).
Unter dem Begriff Kohäsion lassen sich semantisch-syntaktische satzgrenzenüberschreitende, in der Regel jedoch lokal begrenzte Beziehungen in einem Text zusammenfassen. Dieser transphrastische Zusammenhang entsteht durch die Wiederaufnahme sprachlicher Ausdrücke und durch Konnexion (aufgrund bestehender Relationen zwischen Propositionen benachbarter Sätze).
Textkohäsion kann bei expliziter Konnexion und expliziter Wiederaufnahme deutlich auf der Textoberfläche signalisiert sein oder muss als implizite Konnexion (aus den zugrundeliegenden Sachverhalten) und als implizite Wiederaufnahme (aus semantischen und wissensabhängigen Relationen zwischen einzelnen Ausdrücken) erschlossen werden.
Brinker (1992) unterscheidet (in Anlehnung an Harweg 1968) bei den grammatischen Bedingungen der Textkohärenz (26) die explizite Wiederaufnahme (26 ff) und die implizite Wiederaufnahme (34 ff).
1. Kohäsionmittel bei expliziter Wiederaufnahme aufgrund von Koreferenz (meist anaphorisch, seltener kataphorisch)
- Pronomen (z. B. er, sie),
- Proverben (z. B. tun, machen),
- Proadjektive (z. B. solche, diejenigen);
- direkte Wiederholung von Wörtern oder Wortgruppen,
- partielle Rekurrenz (z. B. Er war sehr glücklich. In seinem Glück . . .),
- Ellipsen (als verkürzte Wiederholung),
- Paraphrasen.
Über diese Kohäsionsmittel werden im Text Verweisungen vorgenommen und Beziehungen hergestellt.
- In längeren Textstrecken besteht die Hauptoperation darin, herauszufinden, wie schon verwendete Elemente und Muster wieder verwendet, verändert oder zusammengefügt werden (Beaugrande & Dressler 1981: 57).
2. Kohäsionsmittel bei expliziter Konnexion: Konnektoren
Diese Kohäsionsmittel geben keine Suchinstruktionen (wie in 1.), sondern spezifizieren, in welcher Weise das im Text Vorangegangene mit dem im Text Nachfolgenden verbunden wird (Kallmeyer & Meyer-Hermann 1980: 248). Es handle sich dabei nicht um die Verbindung von Sätzen, d. h. syntaktischen Einheiten, sondern um die Verbindung von semantischen Einheiten, also Propositionen (248).
Zu den Konnektoren gehören
- Konjunktionen (z. B. und, oder, aber, denn; subordinierende Konjunktionen stellen nur satzintern Verbindungen her),
- Satzadverbien (z. B. folglich, trotzdem),
- mehrgliedrige Konnektoren (z. B. sowohl - als auch).
3. Kohäsion wird weiterhin unterstützt
- durch Verwendung aufeinander beziehbarer Tempusformen in einem Text,
- durch bestimmte Abfolgen von Thema-Rhema-Gliederungen in benachbarten Sätzen und durch die Satzakzente (vgl. Brazil 1985),
- durch Parallelismus (als satzstrukturelle Wiederaufnahme mit lexikalischen Varianten).
Der Begriff Kohäsion wurde von Halliday & Hasan (1976) eingeführt. Als Haupttypen der Kohäsion nennen sie:
(Halliday & Hasan 1976: 324).
Beaugrande & Dressler fassen Kohäsion neben Kohärenz als textzentriertes Kriterium der Textualität auf (Beaugrande & Dressler 1981: 8).
Halliday & Hasan beziehen Kohäsion auf semantische Relationen, die innerhalb eines Textes existieren (Halliday & Hasan 1976: 4); Beaugrande & Dressler verweisen die Kohäsion in den Bereich der Syntax (Beaugrande & Dressler 1981: 50 f).
Kong stellt der Satzverknüpfung durch Wiederaufnahme (Kong 1993: 15 ff) die Satzanknüpfung durch Konnektoren (43 ff) gegenüber und setzt beides in Beziehung zur Thema-Rhema-Gliederung (91 ff). Sie weist die Bevorzugung bestimmter Vertextungsmittel in verschiedenen Texttypen nach (125 ff).
Siehe auch
Kohärenz, Wiederaufnahme, Referenzbeziehungen, Textphorik, Konnexion, Konnektor, Textisotopie, Textualität, thematische Progression, Proform, Textgrammatik, grammatische Kohärenzbedingungen
Link
Eva Schoenke, Textlinguistik-Glossar